Sonntag, 18. Mai 2014

Funny Girl - Anthony McCarten

"Funny Girl" klingt nach einem lustigen Buch, und damit liegt der Leser auch absolut richtig. Aber das Buch bietet sehr viel mehr. Jeder, der schon mal einen Roman von Anthony McCarten lesen durfte, erwartet zu recht eine substantiell gute Geschichte. Mit der Besprechnung dieses Exemplares habe ich mir diesmal ungeplant viel Zeit gelassen, da ein komplexes gesellschaftspolitisches Thema in ihm steckt.

Ungewöhnlich einprägsam präsentiert sich der minimalistisch designete Diogenes-Buchdeckel: Ein weibliches Augenpaar umrahmt von einer zweifarbig angedeuteten Burka. Der Titel funny girl und Buchcover in dieser Kombination machen stutzig und aufmerksam. Und das ist sicher auch so gewollt. Denn es geht in diesem Roman um die Gegensätze zwischen zwei Kulturen. Ein Thema, das keineswegs neu ist. Doch Anthony McCarten bedient sich einer einmaligen Herangehensweise und betritt mit diesem mutigen, einfühlsamen und humorvollen Roman wirkliches Neuland.

Die Romanheldin Azime, eine junge kurdische Frau, aufgewachsen in Green Lanes (London) sieht sich als waschechte Britin, so wie ihre ganze Familie. Mit 20 Jahren wohnt Sie aber immer noch bei Ihren Eltern, arbeitet im väterlichen Möbelladen und hat keinerlei Aussicht vor der Heirat ein eigenes Leben anzufangen. Der starke Zusammenhalt der kurdischen Gemeinschaft hält Azime in diesem kleinen Winkel Londons fest. Gern möchte sie dieser Statik entkommen. Durch Zufall gerät die junge Kurdin in einen Comedykurs und findet heraus, dass Ihre Leidenschaft für Lachen und Komik, ihr Talent zum Witze erzählen neue Perspektiven in ihrem Leben eröffnet.

"Azime schwebte auf einer Wolke von Optimismus und mit dem Gefühl ungeahnter Möglichkeiten nach Hause. Die Straßen kamen ihr plötzlich gar nicht mehr so schmutzig vor, die Menschen heiterer, weniger unzugänglich."



*
"Azime kam auf die Bühne, und die Leute japsten hörbar, als sie 
sahen, dass sie eine Burka trug - von Kopf bis Fuß in diese Gewand eingehüllt war, so dass nichts von ihr zu sehen gewesen wäre, wären da nicht die beiden rechteckigen Ausschnitte für die schwarz getuschten Augen gewesen, Augen, die zu fast jeder verängstigten jungen Frau hätten gehören können,.."


Doch ihre Familie ist keineswegs begeistert und bald wendet sich fast die gesamte islamische Gemeinschaft gegen Azime. Selbst Morddrohungen bleiben nicht aus. Aber die junge Kurdin erkennt ihr Recht auf Selbstbestimmung und hinterfragt ihre eigenen Möglichkeiten und die Schicksale anderer muslimischer Freundinnen. Dabei geht sie auch dem mysteriösen Todesfall einer muslimischen Schulkameradin nach.

Anfangs droht die eigene Familie zu zerbrechen, doch der Widerstand ihrer Eltern bröckelt immer mehr, gegenseitiges Verständnis wächst und verwandelt sich in Unterstützung. Mutter, Vater, Bruder, kleine Schwester und Azime, machen im Laufe der Handlung eine interessante charakterliche Entwicklung durch. Zwischen Comedy-Schule, Familienstress, Morddrohungen und der Abfuhr lästiger Heiratskandidaten, lernt McCartens Heldin erst ihren besten Freund Deniz besser kennen und dann sich selbst.

Dem Autor gelingt es meisterlich alle Facetten und gedanklichen Haltungen in diesem soziokulturellen Roman herauszuarbeiten. Er provoziert und vermittelt zugleich. Zwischen den kulturellen Welten eröffnet er ein neues Fenster für gegenseitiges Verstehen und Respekt. Dabei versäumt er nicht mit Hilfe dieser "Heldinnengeschichte" die Rechte der Frauen einzuklagen sowie Gewalt und Unterdrückung gegen Frauen klar zu verurteilen. Der Roman ist ein wunderbares Plädoyer für eine tolerante und vielfältige moderne und gleichzeitig traditionelle Gesellschaft.

Die Handlung ist in einer klaren, schönen Sprache erzählt. Ohne Firlefanz, aber anschaulich geschildert und mit Hilfe authentischer Dialoge und Monologe wächst der Leser mit jeder Zeile ein bisschen mehr in die beschriebene Gesellschaft hinein. 

Der ganze Roman ist von Anfang bis Ende von einem dichten Spanungsgeflecht durchzogen. Absolut fesselnd! Ich habe das Buch in einem Rutsch verschlungen. 
Von ganzem Herzen gebe ich diesem Kultur-Comedy-Spanungs Roman eine klare Leseempfehlung! Ein Leseerlebnis und ein Gewinn für jedes Bücherregal.

Fakten zu Anthony McCarten
Der aus Neuseeland stammende Schriftsteller, Bühnen- und Drehbuchautor wurde 1961 in New Plymouth geboren und lebt heute überwiegend in London. International bekannt wurde er (gemeinsam mit Stephen Sinclair) mit dem Theaterstück "Ladies Night".Doch auch einem großen Romanpublikum ist McCarten vertraut. Bekannte Bücher von ihm sind z.B. "Englischer Harem" und "Superhero".Seine Romane sind im Diogenes Verlag erschienen.



Liebe Leser, hinterlasst mir einen Kommentar. Schreibt mir Eure Meinung.

Bis bald Eure


Caroline Schultz











3 Kommentare:

  1. Klingt total interessant. Nicht nur das Buch, sondern auch den Autor habe ich mir direkt einmal notiert – muss nämlich gestehen, dass mir der Name gar nichts sagt.

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  2. Vielleicht kennst Du "Englischer Harem" das war ein großer Erfolg :)
    Ich hab leider vergessen etwas über den Autor dazu zu schreiben, ich hole es morgen nach!!!
    LG Caroline

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