Donnerstag, 17. Juli 2014

Sascha Arango - Die Wahrheit und andere Lügen

Die Wahrheit und andere Lügen

Sascha Arango

von Caroline Schultz

Liebe Leser,

bis zu dem Tag, als mir auf der Buchmesse dieser Titel in die Hände geriet, hatte ich noch kein Sterbenswörtchen von diesem Autor gehört oder gelesen. Allein der skurrile Titel machte mich so neugierig, dass ich um ein Rezensionsexemplar bat. Das astreine neue Buch, welches der Verlag mir schickte, landete jedoch dann ungeplant in meinem Lostopf für den 'Welttag des Buches'. Versprochen ist versprochen, so dass sich dann auch ein glücklicher Gewinner über das Buch freuen durfte.
Aber!! Der Zufall kullerte mir ein zweites Mal ein druckfrisches Leseexemplar über den Weg - und da wusste ich, an der Geschichte muss ich dran bleiben!

Das Buch dreht sich um Henry, einen erfolgreichen Bestsellerautoren. Was so nicht stimmt, denn eigentlich ist Henry ein Hochstapler. Seine Frau Martha schreibt wie eine besessene Nacht für Nacht hochkarätige Romane, die Henry unter seinem Namen veröffentlicht. Die Bücher ermöglichen ihm einen luxuriösen Lebensstil und auch manchen Spielraum für Eskapaden. 

Henry sorgt sich liebevoll um seine Frau Martha, mit der er sehr abgeschieden lebt. Er kocht täglich frisch für sie, kümmert sich um Haus und Hof und hält alle lästigen Alltagsarbeiten von ihr fern. Doch eines Tages gerät er in eine verzwickte Lage: Seine Lektorin und Langzeitgeliebte Betty erwartet ein Kind von ihm. Während er noch überlegt, wie er diesen misslichen Umstand seiner Ehefrau beichten soll, beschließt er, statt dessen doch lieber die Geliebte aus dem Weg zu räumen. Dummerweise übersieht er dabei eine wichtige Tatsache und begeht einen folgenschweren Fehler.

Henry ist ein Mann um die 50, wie es ihn zu Tausenden geben mag. Allerdings ist unser Romanheld ein sehr geheimnisumwobenes und gewitztes Exemplar, das in dieser Verstellungsgeschichte rabenschwarzen Humor versprüht. Seine Vergangenheit liegt im Verborgenen, ebenso wie die Wahrheit, die er mit niemandem teilt.
Eigentlich scheint unser Held gar nicht so übel, doch dann verhält er sich plötzlich so eiskalt und abgebrüht, dass der Leser innerlich zusammenzuckt. Aber der Autor schreibt seiner Figur auch ein  vordergründiges moralisches Gewissen zu, lässt ihn verantwortungsbewusst handeln bevor das gigantische Ego des Henry Hayden wieder zuschlägt. Über sich selbst denkt Henry:

Ursächlich für seine Lügen, sei lediglich der Umstand, dass das Leben ihn gelehrt habe, die Wahrheit aus seinem Munde nicht funktioniere nicht.

Seine harmonisierende sanfte Seite, die gute Seele des Henry, scheint wie ein Gegenpol zu seiner kalkulierten skrupellosen Vorgehensweise. Doch bei genauerer Betrachtung sind auch seine vermeintlich guten Handlungen geschickte Winkelzüge die ihm Vorteile erbringen.

Ein Marder hat sich auf dem Dachboden von Henrys und Marthas Haus eingenistet. Der Marder soll weg, weil er Martha beim Schreiben stört, doch im Laufe der Geschichte wird die Jagd auf das Tier mehr und mehr zu einem Kampf gegen einen Dämon. Einen Dämon, den Henry eigentlich in sich selbst trägt. Der Marder entfesselt destruktive Kraft in Henry. Doch vor allem ist die Jagd auf den Marder eine Abbitte für sein unverzeihliches Vergehen.

Vor meinem inneren Auge entwickelte sich die Geschichte zunächst anschaulich und grotesk wie ein dahergelaufener ZDF Mehrteiler. Doch schnell war ich gepackt von den Verwicklungen, Spuren und brisanten Situationen, den losen Enden der Morduntersuchung, den Schatten aus der Vergangenheit. "Ahnst Du wie es ausgeht?"

Der Autor verwendet Sprache wie normale Menschen Salatöl - extra vergine, sie fließt, ist geschmeidig, klar und von bester Qualität. Die Geschichte hat ein frisches Aroma wie Küstenwind, liest sich luftig leicht und mit einem Schmunzeln über jede Menge bitterböser Seitenhiebe. Doch der Inhalt ist weit entfernt davon als "Leichte Kost" eingestuft zu werden. Es ist ein Werk von gesellschaftlicher Relevanz, voller Sprachgewandtheit und soziologisch punktgenauer Beobachtungen, ein Buch, dass ich aufbewahre und in Passagen wieder lesen werde.


Caroline Schultz







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