Porträt
Ein Mann Schau -Kaberettist Tilman Birr
(Caroline Schultz)
So sehr man sich anstrengt, er passt
in keine Schublade!
Poetry Slammer, Kabarettist,
Liedermacher und Buchautor Tilman Birr verwendet alle seine Talente um seine
Fans zu unterhalten.
„Ich habe es schon immer als großes Kompliment empfunden, wenn jemand
über meine Witze gelacht hat„ (Tilman Birr)
Tilman Birr ist
nicht der Erste, der Witze über Berlin macht und er gibt zu, dass die meisten
Gedanken vor ihm schon ein Anderer hatte. Doch der 32-jährige Kabarettist und
Autor braucht nicht bescheiden zu sein. Bühnenerfolg, Buchveröffentlichung und
Künstlerpreise bescheinigen ihm, dass sein kritischer Humor weiträumig ankommt.
Seine Tour führt
den Künstler u.a. durch Westfalen, so dass er, vor Beginn seiner Vorstellung im
Cuba Nova in Münster, für ein Gespräch zur Verfügung steht.
Egal, ob im
hellen Licht des Wintergartens oder bei schummriger Kneipenbeleuchtung, Birr
sieht exakt so aus, wie erwartet: Jugendlicher, schlaksiger Typ, eine Mischung
aus optimalem Schwiegersohn und einer Prise Gangster. Der Umgang mit ihm ist
offen und unkompliziert.
Omas Klavier
Wie Stars und
Sternchen in Casting-shows gemacht werden, kann sich jeder tagtäglich im
Fernsehen anschauen, doch wie kommt man eigentlich zum Kabarett? Oder zur
Lesebühne?
Tilman beschreibt
seinen Vater als einen glühender Opernliebhaber, doch weder Geschwister, noch
Eltern beherrschten ein Instrument. Talente überspringen oft eine Generation,
so war es dann auch Omas Klavier, das den neunjährigen Tilman zum Klimpern
anlockte. Der nachfolgende Klavierunterricht fiel auf fruchtbaren Boden.
Gitarre und Gesang brachte sich der Liedermacher als 15jähriger einfach selber
bei. Doch sein großer Teenagertraum, von einer Musikerkarriere als Heavy Metal
Star, scheiterte. Der echte Motörhead-Anhänger schaffte es nicht mal in eine
Schülerband. Gut gelaunt, sieht er darüber hinweg und verweist auf den jüngsten
Eckpfeiler seiner Laufbahn. Auf der ersten Tilman-Birr-CD bleiben die Ohren von
Motörhead-Klängen verschont. Ersatzweise gibt es bitterböse Gesänge über „Burnout“
und ein „Berlin ohne Berliner“.
Eine große
Portion Shrimps-Salat kann Tilman nicht vom Plaudern abhalten. Beim Essen
erzählt er, dass er als Zivi Koch gewesen sei. In Frankfurt kochte er in einem
Schülerladen für 18 Grundschulkinder, half bei den Hausaufgaben und sorgte für lustige
Beschäftigung.
Nach seiner
Jugend in Frankfurt, war Berlin dann die einzige Stadt, die er sehen wollte.
Mit einer inneren Grundausstattung an hessischem Witz, geprägt vor allem durch Badesalz und einer Kindheit voller Loriot-Sketche, beginnt er in Berlin
sein Geschichtsstudium und das WG-Leben.
Lustiger Russe
Kaum jemand
kannte im Jahr 2000 Wladimir Kaminer, der scheinbar nur gebrochen Deutsch
sprechen konnte und auf der Berliner Lesebühne seine ersten Texte vortrug. So
erlebte es Tilman Birr, der die Lesebühne in Berlin gerade für sich
entdeckte. Seine Begeisterung war so groß, dass er jede Woche hinging und auch
mit Frankfurter Freunden im Publikum saß.
„Das kann ich
auch“ war die Erkenntnis, in der Freunde und Lesebühnenkünstler ihn
bestätigten. Ein Frankfurter Kneipenwirt, sagte nur: „macht mal“ und kurzerhand
gründete Tilman Birr 2002 die „Lesebühne Ihres Vertrauens“. Die monatliche
Veranstaltung entwickelte sich zu einer festen Größe im Frankfurter
Veranstaltungskalender und findet im Ponyhof
in Frankfurt-Sachsenhausen statt. Sein neues Hobby machte ihn zum Mitglied der
Berliner „Samstagsshow“ und führte den damaligen Studenten fortan als Poetry
Slammer durch die ganze Republik.
Lach- und Schießgesellschaft
Als ideales
Sprungbrett in die professionelle Kabarettlaufbahn, erwies sich jedoch erst die
Bewerbung beim traditionsreichen Kabarett Kaktus in München.
Gleich beim
ersten Versuch, gewann Tilman Birr den ersehnten Preis und die, als „Preisgeld“
damit verbundenen Auftritte: Z.B. bei der Münchner Lach- und
Schießgesellschaft. „Das hat Eindruck gemacht, dass ich dort aufgetreten bin. Eine
Menge interessierter Veranstalter nahmen damals Kontakt auf“ erzählt Tilman und
wippt dabei unruhig mit seinem rechten Bein. Während er sich eine Zigarette zum
Nachtisch dreht, spricht er über weitere Stationen in seiner Laufbahn.
„On
se left you see the Siegessäule”
Sommer in
Berlin, Tilman hat fertig studiert und braucht Geld und Orientierung. Wagemutig
heuert er als Fremdenführer auf einem Ausflugsschiff auf der Spree an. Er
vermutet einen leichten Job und gutes Trinkgeld. Doch was sich vor allem
bietet, sind eine Menge Erlebnisse. Erfahrungen mit den unterschiedlichsten
Typen, Reisegruppen, Kollegen und eigenartigen Situationen. Eine super Quelle
für Geschichten, findet auch ein Buchagent, der Tilman glaubhaft versichert wie
trendy und marktgängig Berufssparten-Romane aktuell seien. Exposé geschrieben,
Vertrag geschlossen und binnen einen Jahres, lag der fertige Erzählband auf dem
Tisch. Tilman gesteht, dass keine einzige der witzigen Geschichten wirklich so
passiert ist. Fleißig hat er alles zusammengesponnen, niemals werden seine
Leser erfahren, ob es den Sportlehrer Kralmeyer oder den unverständlichen
Bayern wirklich gab.
Erstmals erfährt
eine große Leserschaft von ihm und die Highlights aus seinem Buch
werden zum Bühnenprogramm.
Magister in Geschichte
Auf skeptisches
Nachfragen hin gibt Tilman zu, seine Mutter hoffte sehr, dass er einen Beruf
aus seinem Studienbereich ergreifen würde. Die Jobsuche führte den Absolventen
somit nach Leipzig. Mit einer Magisterarbeit über das DDR-Kabarett in der
Tasche, bewarb er sich auf eine Museumsstelle beim Zeitgeschichtlichen Forum. Sein Studienschwerpunkt passte exakt zu
den Stellenvorgaben. Tilman erhielt jedoch eine Absage und die war sein
zündendes Schlüsselerlebnis. Im gleichen Sommer begann er den Stadtführerjob.
Sein Kollege Marc-Uwe Kling (Die Känguru Chroniken) vermittelte ihn damals an
die Verlagsagentin und die Künstlerlaufbahn wurde zum Hauptberuf. Tilman
betont, dass seine Eltern heute sehr stolz auf ihn sind und seine beiden
Geschwister ganz alltägliche Jobs haben.
Lampenfieber
Für den
Bayrischen Rundfunk stand Tilman Birr schon einige Male vor der Kamera, doch
heute Abend muss er ein Münsteraner Szene-Publikum begeistern. Immer noch
zappelt er hektisch mit seinem Bein. Lampenfieber und Nervosität bestreitet er
jedoch vehement und berichtet von einem gemeinsamen Auftritt mit dem österreichischen
Kabarett Star Josef Hader. Damals sei er schon zwei Tage vorher nervös gewesen.
Völlig unbegründet, wie Tilman feststellte: „Hader war der herzigste Mensch von
allen.“
Vom Lampenfieber
offenbar geheilt und mit dem Ziel, jede Menge Spaß auf „beiden Seiten“ zu
verbreiten, betritt der Experte für Dialektimitation und schwarzen Humor die
kleine Bühne. An diesem Abend liest Tilman Birr bekannte und neue Texte, spielt
alte und neue Lieder. Nach zweieinhalb Stunden Vorstellung und diversen Zugaben,
beben dem Publikum die Lachmuskeln und die Hände brennen vom Applaudieren.