Mittwoch, 21. März 2018

Mein Ausbruch aus Saudi-Arabien, mein Weg in die Freiheit
- Frauen dürfen hier nicht träumen [Rezension] Rana Ahmad

Caroline Schultz

Mit freundlicher Genehmigung von Random House
Vor ein paar Jahren las ich ein Buch mit dem Titel "Die Girls von Riad" einen Roman von Rajaa Al-Sanea. Der Plot ist einfach: Eine junge Frau aus Saudi-Arabien erzählt die Lebensläufe von vier Freundinnen, alle unterschiedlich, aber alle auf der Suche nach Glück und Liebe und der Erfüllung ihrer Wünsche. Doch die saudisch-islamische Gesellschaft ist nicht darauf ausgerichtet junge Frauen glücklich zu machen, so enden die vier persönlichen Geschichten alle in Tragödien für die man ausschließlich die dominante saudische Männerwelt verantwortlich machen muss. Die Unfreiheit der jungen Frauen und die mittelalterlichen Moralvorstellungen haben mich damals schon fassungslos gemacht, obwohl ich lediglich einen Roman vor mir hatte, in dem sicher vieles noch geschönt erzählt wurde. 


Nur noch 2nd Hand
 von Goldmann oder Pendo
Die Erinnerung an "Die Girls von Riad" war sofort wieder da, als ich den Buchtitel "Frauen dürfen hier nicht träumen" von Rana Ahmad vor mir sah.
Die Autorin erzählt aus ihrem Leben in der strengen islamischen Männergesellschaft, wie es dazu kam, dass sie sich von Gott abwendete und wie ihr schließlich die riskante Flucht aus Saudi-Arabien gelang. 



Ranas Geschichte ist kein Roman, ihr Erfahrungsbericht zeigt die bittere Realität. Eine Realität, in der Frauen stets unterlegen sind und ganz nach der Laune der Männer missbraucht und gequält werden. "Frauen dürfen hier nicht träumen" ist der sehr passende Titel dieser Lebensgeschichte, die unbestreitbar aufzeigt wie rechtlos und unterdrückt Frauen in diesem abgeschirmten islamischen Land sind.

Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr wächst Rana als glückliches und verwöhntes Kind syrischer Einwanderer in Riad, der Hauptstadt Saudi Arabiens auf. Dann kommt der Tag der alles verändert, sie darf plötzlich nicht mehr mit ihrem geliebten Fahrrad fahren oder allein irgendwo hingehen. Ein Onkel bekommt das Fahrrad stattdessen und sie versteht nicht warum er damit fahren darf und sie nicht? Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie verunsichert, sie fragt sich ob sie vielleicht etwas falsch gemacht hat? Von nun an, muss Rana auch ein Hijab - ein Kopftuch tragen - ein schlechter Tausch!


Ein paar Jahre später als sie 14 Jahre alt ist, bekommen die Mädchen in der Schule einen Zettel, auf dem steht, wie sie sich zu kleiden haben, denn aus Sicht der islamischen Geistlichen sind sie eine potentielle Versuchung für alle Männer. 
Wenn der Vater von der Arbeit kommt, dann muss er mit Mutter und Tochter zum Einkaufszentrum fahren und sie kaufen alles was die Tochter nun braucht. Tarhas(Kopftücher), Abayas (weite Gewänder) und Niqabs (Schleier, der nur die Augen frei lässt), gibt es in einem speziellen Einkaufszentrum wo nichts anderes verkauft wird.
Rana hat ein sehr inniges und liebevolles Verhältnis zu ihrem Vater, er ist ihr Verbündeter und versteht sie oft besser als ihre sehr religiöse und strenge Mutter. Doch insgesamt gesehen ist die ganze Familie durch und durch religiös, kein Gebet wird jemals ausgelassen und keine Regel missachtet. Wenn Rana ihre Mutter nach dem "Warum" fragt, ist die Antwort stets, weil Allah dich dann noch mehr liebt - oder weil Gott es so will!

In der Schule hat Rana eine Freundin mit der sie ihre Gedanken teilen kann, die jungen Mädchen lieben Popmusik und Musikvideos, Süßigkeiten und träumen fast die gleichen Träume wie Teenager überall auf der Welt. Doch sie dürfen sich nicht in ihrer Freizeit besuchen. Zuhause kann Rana nur mit Frauen aus ihrer Familie befreundet sein. 
Ihr Zuhause in Saudi Arabien und ihr Zuhause in Syrien bei den Großeltern erscheinen ihr während ihrer Kindheit noch als Orte der Geborgenheit, doch mit siebzehn muss sie eine andere Erfahrung machen und in diesem Sommer geht etwas in ihr für immer kaputt.

"..Drei Jahre, nachdem ich mich zum Schutz vor den Blicken fremder Männer zu verhüllen begann, zwingt mich Bark, ein Mann, von dem ich glaube nichts fürchten zu müssen, einen Softporno mit ihm zu schauen und fasst dabei meine Brüste an."


Rana berichtet in ihrem Buch von weiteren Beispielen sexuellem Missbrauchs. Sie beschreibt Taten, die ihr teilweise selbst widerfuhren, oder die Freundinnen und Verwandte erleiden mussten. Eine Frau in Saudi Arabien darf sich einem Mann nicht widersetzen, wenn er sie also zu "unreinen" sexuellen Handlungen zwingt, dann ist das was er ihr antut "haram", also eine Sünde. So fühlt die jugendliche Rana sich für das Unrecht, das ihr geschieht auch noch verantwortlich, schmutzig und schlecht und kann sich niemandem anvertrauen, weil sie für die sexuellen Übergriffe auf jeden Fall die Schuld bekäme!


Rana erzählt vom Alltagsleben, von Hochzeiten, schönen Kleidern, von den Ritualen die immer beachten, dass Frauen und Männern getrennt sind und davon, dass die Männerwelt stets alles entscheidet. Rana ist eine Zeit lang verheiratet, darf aber nur Hausfrau sein und für die Schwiegermutter schuften, obwohl sie gerne nach der Schule noch studiert hätte. 

Später nachdem die Ehe geschieden war und Rana wieder in der elterlichen Wohnung lebt, da braucht sie die Erlaubnis des Vaters, um einen Englischkurs zu machen und nur mit seiner Zustimmung kann sie in einem Krankenhaus arbeiten. Ihr Vater muss sie täglich zur Arbeit fahren und wieder abholen, das Gleiche gilt auch für die anderen saudi-arabischen Frauen. Entweder ein männliches Familienmitglied fährt sie, oder sie müssen zu Hause bleiben. Reiche Frauen haben einen Fahrer, wodurch die Frauen ein kleines bisschen mehr Unabhängigkeit haben.

Rana durchlebt alles Schlechte, was einer jungen Frau in diesem Land geschehen kann und verbringt als erwachsene Frau ein trübseliges Dasein in ihrem Zimmer, in der Wohnung ihrer Eltern. Sie surft viel im Internet und entdeckt den Nachrichtendienst Twitter für sich, wo sie gerne mitliest und dann zaghaft erste eigene Posts schreibt. Dieses Medium eröffnet ihr eine neue Welt, als sie dort einen arabischen Atheisten entdeckt.

Rana weiß zunächst nicht mal was Atheismus ist und googelt alles was damit zu tun hat. Fassungslos steht ihre Welt Kopf, als ihr klar wird, dass es Menschen gibt die sich vom Islam abgewendet haben und nicht mehr an Gott glauben. Ein Umstand der für sie noch lange Zeit unfassbar bleibt. Nach und nach zweifelt sie den Koran und die Existenz Gottes immer mehr an, denn sie kann keine logische Erklärung oder Beweise dafür finden, dass es Allah wirklich gibt. Mit der eigenen Abkehr vom Glauben, wächst auch der Wunsch nach Flucht und dem Leben in einem freien Land.

Rana Ahmad hat ein sehr mutiges und wichtiges Buch geschrieben, denn in Saudi-Arabien bedeutet es für eine Frau ihr Leben zu riskieren, wenn sie sich gegen den Islam oder die geltenden Regeln zu stellt. Was viele Millionen Frauen in Riad und im ganzen Land in ihrem Umfeld erleiden müssen, hat Rana Ahmad in ihrem Buch Beispielhaft ans Tageslicht gehoben. Sehr klar formt sie Gedanken und Erlebnisse zu ihrer bewegenden Geschichte, die anschaulich das wahrhaftige Gesicht Saudi-Arabiens mit seiner mittelalterlichen Moralvorstellung, eingerahmt von modernen Wolkenkratzern, aufzeigt.

"Frauen dürfen hier nicht träumen" ist ein Buch, dass keinen Menschen mit westlicher Erziehung und Bildung kalt lassen kann. Sprachlich ist es sehr spannend, absolut mitreißend in einem flüssigen Stil geschrieben, der der Handlung gerecht wird. 

Der sehr passenden Buchtitel lässt sich unbegrenzt auf alle Lebensbereiche der arabischen Frau ausdehnen. Das traurige und erschütternde Resumé für die weibliche Welt ist, dass es Frauen in Saudi-Arabien nicht gut geht:

Frauen dürfen sich hier nicht frei bewegen,
Frauen dürfen hier nicht über ihr Leben bestimmen,
Frauen dürfen hier nicht frei atmen, sie müssen sich verschleiern.

Frauen dürfen hier keine Freundinnen oder Freunde treffen, die nicht zur Familie gehören. Frauen dürfen hier ausschließlich das tun, was ihre Väter, Ehemänner und Brüder ihnen gestatten. Nur das.
Frauen sind schuldig, wenn sie geschlagen, missbraucht oder sexuell belästigt werden.

Die Tatsache, das es eine derartige Welt heute noch gibt, ist für mich als eigenständige westliche Frauen in einer aufgeklärten Welt schier unfassbar. Es ist mutig das Rana ihre Geschichte erzählt, für das was sie getan hat muss sie immer noch um ihr Leben fürchten. 

Erfreulich ist, dass der Kronprinz Mohammed bin Salman die Regeln für Frauen nun etwas lockern will, wie z.B. bei der Süddeutschen Zeitung zu lesen war. Doch bis diese kleinen Änderungen in den Köpfen der überwiegend zu dominanten oder den strenggläubigen Männer ankommen und weitere Maßnahmen folgen werden, müssen noch viel zu viele Frauen ihre persönliche Hölle durchleben. 


Sonntag, 11. Februar 2018

Buchtipp: Zeugin der Toten - Elisabeth Herrmann

Elisabeth Herrmann ist eine meiner unangefochtenen Lieblings-Autorinnen, denn die deutsche Journalisten hat ein großes Gespür und Talent dafür, Gesellschaftsthemen mit spannender Unterhaltung zu verbinden. Zugegeben, was aus ihrer Feder kommt, ist kein Geheimtipp, denn ein Großteil ihres Stoffes wurde bereits fürs Fernsehen verfilmt. Ich möchte mich da aber gerne einreihen und betonen, dass ich alle ihre Bücher bisher sehr genossen habe!
Hier werde ich mal meine Freude über ihren Krimi "Zeugin der Toten" rauslassen. Das Buch ist schon seit 2011 ein Renner und erhielt im Jahr 2012 bereits den Deutschen Krimi Preis. Im August 2017 kam nun eine Fortsetzung dieser Reihe mit dem Titel: "Stimme der Toten" auf den Markt. Für mich Grund genug,  mir beide Bücher nacheinander einzuverleiben.
Doch heute geht es zunächst einmal um den ersten Teil dieser packenden Reihe.

Handlung 
Judith Kepler ist cleaner. Genauer gesagt ein death scene cleaner. Sie beherrscht zwar das übliche Putzrepertoire rauf und runter, aber sobald die Spurensicherung ihre Arbeit an einem Tatort abgeschlossen hat, wird Judith Kepler als Spezialistin für die schnelle und professionelle Reinigung von Blut- und Leichenspuren gerufen. Ein undankbarer Knochenjob, der nicht leicht zu erledigen ist, besonders wenn die Verwesung des toten Körpers schon eingesetzt hatte. Nicht jede Reinigungskraft ist dieser Belastung gewachsen, viele die es versuchen, stoßen schnell an ihre mentalen und physischen Grenzen.
Aber Judith kann diesen Job, denn als ehemalige Drogen-Kriminelle muss Judith in ihrem Leben auf Schlimmeres zurückblicken. Zehn demütigende Jahre ihrer Kindheit verbrachte sie zunächst in einem DDR-Kinderheim. Nach der Wende, als mittlerweile fünfzehnjährige, haute sie ab. Drogenentzug, Rückfall und Gefängnisstrafen bestimmten ihr Dasein, bevor ihr Boss, Inhaber der Reinigungsfirma Dombrowski sie schließlich von der Straße holte. 
Mit einer gesunden Distanz und angemessener Würde reinigt sie nun die Orte an denen Menschen ihre Leben aushauchten. Wenig verwunderlich ist, dass sie privat eine überzeugte Einzelgängerin ist. Mit ihrer raubeinigen Art hält sie jede freundschaftliche Annäherung auf sicherem Abstand. 

Ein Notfall -  Mord an einer schwedischen Frau in einer  Berliner Hochaus-Wohnung -  vermasselt Judith Kepler das Wochenende. Eigentlich freute sie sich bereits auf ein kaltes Glas Wein auf ihrem sommerlichen Balkon, als Dombrowski sie zu diesem Auftrag schickt. Mit dem Transporter macht sie sich auf den Weg Richtung Berlin-Marzahn und glaubt zunächst an einen Zufall, als sie feststellt, dass der Tatort in der Nähe ihrer eigenen Adresse liegt.
Ausgerechnet an diesem Tatort kommt Judith in den Besitz ihrer alten Waisenhausakte aus ihrer Zeit im Kinderheim Juri Gargarin in Sassnitz. "Was hat das alles mit mir zu tun?" fragt sich die Putzfrau verwirrt und nimmt die Wohnung der Toten, um so gründlicher in Augenschein. Eine Spur führt von der Ermordeten zu einem ehemaligen BND Agenten, der nun als Enthüllungsjournalist im Politfernsehen erscheint und auf der Suche nach einer legendären Stasi Datei ist. Eine Frage wirft schnell die Nächste auf und so macht Judith sich auf die Suche, um die Spuren in ihre eigene Vergangenheit zu verfolgen.
Die Jagd nach ihrer Identität führt sie zurück nach Sassnitz und immer weiter..
Stück für Stück enthüllt sie dabei immer mehr Details aus ihrer tatsächlichen Vergangenheit
und eine ungeheuerliche persönliche und politische Geschichte. 

Fazit
Elisabeth Herrmann schreibt wie immer unfassbar authentisch. Ihre Figuren sind mehr als glaubwürdig, sie scheinen wie tatsächliche Persönlichkeiten. Ihre Inhalte sind unfassbar vielfältig und gut recherchiert. Ihr fundiertes Wissen über Politik, Gesellschaft, Geschichte und fachliche Details macht die Lektüre dieses politischen Krimis zu einer unbestreitbaren Bereicherung. 
Darüber hinaus erzählt Elisabeth Herrmann absolut spannend und fesselnd und hält den Spannungsbogen aufrecht, wie es nur wenige können. Finale und Auflösung sind schlüssig und nachvollziehbar. Kurzum macht sie alles richtig was man als gute Autorin richtig machen muss. Eine Top-Empfehlung an alle Krimifreunde!

Der Titel ist als Taschenbuchausgabe des Ullstein-Verlages (9,99 €) erhältlich. Oder Wahlweise als E-Book Format (List 8,99 €).
Verschiedene Cover, aber gleicher Inhalt.

Wer möchte kommt in Kürze mal wieder hier vorbei, denn dann gibt es meine Erfahrungen zur Fortsetzung der Geschichte, welche sechs Jahre später fast übergangslos anknüpft.

Macht es euch kuschelig - beste Lesegrüße,

Caroline 











Donnerstag, 11. Januar 2018

Blog-Geburtstag !! Happy Birthday - 6 Jahre bloggen für schönes Lesen!


Hallo zusammen,

Buch und Literatur wird heute 6 Jahre alt. Ein Grund sich zu freuen und ein Danke an euch alle die gemeinsam mit mir Spaß an Buchblogs haben!
Wer wissen möchte, wie alles begann, schaut sich gerne meine ersten Blogeintrag Die gelben Augen der Krokodile noch mal an. Welche Bilanz kann ich also aus den letzten 6 Jahren ziehen?


Das Fazit als Liste:

Viele, viele Tassen Tee
Noch mehr Tassen Kaffee
2 Notebooks
2 Smartphones
1 Kamera
5 Reisen zur Frankfurter Buchmesse
2 Reisen zur Leipziger Buchmesse
Bloggertreffen
Gespräche und Interviews
Ein paar Gewinnspiele 
Blogger schenken Lesefreude
Sehr viele Stunden Riesenspass!

Danke!

Eure Caroline






Dienstag, 9. Januar 2018

[Rezension]

Rattatam, mein Herz - vom Leben mit der Angst

Franziska Seyboldt

Mit freundlicher Genehmigung von KiWi
Caroline Schultz

Jeder kennt Angst, denn sie ist genau genommen eine sinnvolle Einrichtung, die den Menschen davor bewahrt in Gefahren zu geraten. Doch wenn die Angst überhand nimmt, sich zu einer Angststörung entwickelt hat, kann das Leben mit ihr ganz schön schwer werden. 

Franziska Seyboldt hat sich entschieden darüber zu schreiben, über ihr Leben mit der Angst. Ganz offen und ehrlich, ohne Decknamen und Anonymität, denn die Krankheit zu verstecken, bedeutet Energie zu vergeuden für den Erhalt eines falschen Selbstbildes.
Auf sehr farbige und leichte Weise nimmt Franziska ihre Leserinnen und Leser mit in ihr Leben, bei dem die Angst Schrecken verbreitet und immer mit am Tisch sitzt.

"An schlechten Tagen wache ich auf und bin ein Sieb. Geräusche, Gerüche, Farben plätschern durch mich hindurch wie Nudelwasser, ihre Stärke bleibt an mir kleben und hinterlässt einen Film, der auch unter der Dusche nicht abgeht. Ich taumle durch den Tag, immer auf der Suche nach etwas, woran ich mich festhalten kann."

Nach dem ich das Buch gelesen hatte, habe ich sofort noch einmal von vorn angefangen und es ein zweites Mal gelesen. Das mache ich normalerweise nie, aber der bewegende, offene und ehrliche Bericht der Autorin ließ und lässt mich einfach noch nicht los. Ihre bemerkenswerten Gedanken und ihre anschauliche Sprache absorbieren mich, bündeln meine Aufmerksamkeit für ihre persönliche Geschichte und die größere Bedeutsamkeit, die sie für unsere Gesellschaft hat und haben sollte. 

Das Buch ist ganz anders als das, was man erwarten würde. Also bitte Vorurteile bei Seite geräumt und hineingestürzt in diese Lektüre, die fasziniert, da sie viel Exemplarisches enthält. Inhalte aus denen jeder Leser etwas über sich selbst lernen kann, gepaart mit dem Gefühl, stets ganz nah bei der der Erzählerin zu sein und manchmal in den gleichen Schuhen zu stecken.
Angstgefühle beim Fliegen, Autofahren, oder beim Sprechen in der Öffentlichkeit kennen viele Menschen. Eine Angststörung kann auch diejenigen plagen, die nach Außen gar nicht ängstlich oder schüchtern wirken, sondern dem Anschein nach ganz tough und lebensfroh rüberkommen.

Franziska Seyboldt gelingt was nur wenige können, völlig unbeschwert, geistreich und nachvollziehbar schreibt sie über das ernste Thema ihrer Angststörung. Sie macht eine gute Geschichte daraus und zeigt dabei ihr Gesicht, ihre Persönlichkeit. Der Ton des Buches ist leicht und zugewandt, während in allerlei Anekdoten und Erlebnisse verpackt das Dilemma der Angststörung, mit allen Einzelheiten aus der Tabuzone gehoben wird. Franziska Seyboldt gesteht ihre Schwäche und geht gestärkt daraus hervor, sie gibt die Kontrolle auf und wird so Herrin der Lage.

"Allein in Deutschland hat jeder Sechste im Laufe seines Lebens einmal eine Angststörung, das kommt gleich nach Depressionen und Alkoholismus." 

Mit Recht fordert die Autorin, dass wir endlich mehr über psychische Leiden reden müssen. Nur so kann mit Klischees und Vorurteilen aufgeräumt werden. Sie ist der Überzeugung, dass man nur Macht über psychische Krankheiten gewinnen kann, wenn man sie so konkret wie möglich benennt, denn eine nicht korrekte Diagnose zu verwenden macht die Krankheit größer als sie ist.

"Rattatatam, mein Herz" ist eine überaus bereichernde Lektüre für alle, die aufgeschlossen und interessiert sind an den relevanten Themen unserer Zeit. Empfehlen möchte ich dieses Buch auch allen Lesern, die sich generell für psychologische Inhalte interessieren. Sie sollten diese berührende Geschichte unter keinen Umständen verpassen!! Es ist sehr kurzweilig und angenehm zu lesen und auf jeden Fall absolut bereichernd!

Höchste Bewertung - Fünf Smileys: JJJJJ

Ich möchte mich an dieser Stelle bei dem Verlag Kiepenheuer & Witsch für das Rezensionsexemplar bedanken. Ich bin sehr froh, dass mich die Lektorin Mona Lang mit einem leidenschaftlichen Brief darauf aufmerksam gemacht hat.  

Erhältlich ist das Buch in eurer Buchhandlung, wo ihr sonst auch eure Bücher kauft!
Erscheinungstag ist der 11.01.2018 J&

Gebundenes Buch im Pappeinband : 18,00 Euro
E-Book: 16,99 Euro
ISBN: 978-3-462-05047-9 




Samstag, 30. Dezember 2017

Good bye 2017

So ganz kurz vor Toresschluss, bevor das alte Jahr vorübergeht, möchte ich mich bei euch entschuldigen, dass ich diesen Blog so vernachlässigt habe. Seit Monaten habe ich hier nichts mehr veröffentlicht, doch die lange Liste der Begründungen möchte ich euch ersparen, denn natürlich gibt es Gründe und es gibt immer Gründe, warum das eine geht und das andere gerade nicht.

Im Oktober schrieb ich an einem Post, der euch eigentlich die Online-Version der Frankfurter Buchmesse 2017 nach Hause bringen sollte, weil ich doch selber diesmal nicht dabei war.
Warum ich den Post dann am Ende nicht fertiggestellt habe? Ich kann es nicht sagen, es war auch wieder das übliche Beschäftigtsein. Alles was im Leben so passiert, wenn man eigentlich ganz andere Dinge vor hat.
Ich schreibe das hier jetzt aber nicht nur um mich aus dem Jahr 2017 zu verabschieden, ich schreibe mit dem festen Plan meinem Blog "Buch und Literatur " in 2018 wieder frisches Leben einzuhauchen und neue Projekte in Angriff zu nehmen. Es fehlt weder an Ideen, noch an Erfahrung, mit etwas Zeitmanagement und eurem Feedback wird hier viel "Neues" entstehen.

Weil das hier ein Jahresende Beitrag für 2017 ist komme ich nicht umhin zu sagen; Vieles in unserer Gesellschaft liegt mir quer im Magen, weil unsere Politik nicht in die Puschen kommt, um sich dieser dringenden Probleme anzunehmen. Das reicht über Bildungspolitik, Wohnungsnot in den Großstädten, Überstunden bei Polizeikräften, Garzweiler II, bis ich weiß nicht wohin!! Man hat das Gefühl, als würden wir alle in einem Vakuum stecken, insbesondere da wir zum ersten Mal zum Jahreswechsel ohne Bundesregierung dastehen. Ich werde darum auch in 2018 nicht zur politischen Aktivistin werden, aber ich will eine wache Bürgerin sein und bin überzeugt gute Bücher, Literatur, Kunst und Kultur haben viel mit "wach sein" zu tun und leiten uns und unser Werte-Gerüst im aktuellen Diskurs und bei unserer "Stimme" in den sozialen Medien.


Wir lesen uns in 2018

Bis dahin wünsche ich euch einen wunderbares Silvester, sowie Glück, Gesundheit und die Erfüllung eurer Träume für das NEUE JAHR!

Herzlichst,

Caroline


Sonntag, 6. August 2017

Der Schnee, Das Feuer, Die Schuld und der Tod - Gerhard Jäger

BUCHEMPFEHLUNG


Der Fremde im Dorf

Zu Beginn der fünfziger Jahre reist der junge Historiker Max Schreiber aus Wien in die Tiroler Berge, weil er die genauen Umstände einer Hexenverbrennung im 19. Jahrhundert recherchieren und hierüber ein Buch verfassen will. Seine Ankunft ist Gesprächsthema in der kleinen verschlossenen Dorfgemeinschaft, von der er argwöhnisch und distanziert beäugt wird. Die Wochen in den Bergen vergehen einsam und konfrontieren ihn mit dem harten Leben in dieser Gegend. Trotz des anhaltenden Misstrauens gegenüber dem fremden Städter, hört der Gelehrte irgendwann die ersten Geschichten und Legenden aus dem Region, die vor allem der alte und blinde Seiler meisterlich zu erzählen weiß. Als Außenseiter treibt es Schreiber täglich auf ausgedehnte Wanderungen und Spaziergänge, bei denen ihm die raue Natur der Bergwelt, mehr als einmal, auch ihre harte Hand zeigt. Schriftstellerisch tritt er allerdings auf der Stelle, denn bei der Suche nach Informationen zur "Hexenverbrennung", verschließen sich die Dorfbewohner und reagieren teilweise sogar feindselig auf seine Fragen und Bemerkungen. Schreibers Privatleben in Wien war nicht glücklich, weshalb er die jüngsten Lebensumstände gerne vergessen möchte und trotz aller Schwierigkeiten nicht in die Stadt zurückfährt.

Schwarzes Blut im Schnee

Der Roman beginnt mit der zerknitterten Schwarz-Weiß-Fotografie eines Tatortes und mit der Weissagung einer alten Indianerin am 40. Geburtstag John Millers. Genau vierzig Jahre später, erfüllt sich die Prophezeiung, als ein alter Mann aus den USA nach Österreich fliegt, um aufzuklären was seinem Cousin in dem Tiroler Bergdorf im Januar des Lawinenwinters 1951 wirklich geschah. Sein Weg führt in zunächst nach Innsbruck ins Archiv, wo er das Manuskript des Schriftstellers studieren kann:

Schreiber erzählt, wie er auf ausgedehnten Pfaden durch die Tiroler Bergwelt wandert, dabei sagenumwobene Felsformationen erkundet und den alten Geschichten nachsinntEine Einladung ins Pfarrhaus und ein aufklärendes Gespräch, sowie einige Abende in der Gastwirtschaft, stellen dann doch noch eine Verbindung zwischen Schreiber und den Dorfbewohnern her. Der Gelehrte schreibt nun seine eigene Geschichte und hält seine Erfahrungen in einem ledergebundenen Buch fest. Vieles geschieht: Ein Bauer kommt ums Leben; Schreiber verliebt sich in eine geheimnisvolle junge Frau, um die auch ein anderer Mann im Dorf wirbt; eine Scheune brennt und mit heftigem Schneefall bricht plötzlich der Winter über das Dorf herein.

Jede Hand wird gebraucht und Schreiber schaufelt Schnee, Unmengen von Schnee, Seite an Seite mit den Einheimischen. Tag für Tag wird die Lage schwieriger, nach Weihnachten ist das Dorf schließlich durch die Wetterverhältnisse komplett von der übrigen Welt abgeschnitten. 
Die Situation spitzt sich dramatisch zu, als die ersten Lawinen auf die Höfe und Häuser des Dorfes herunterdonnern. Menschen sterben und der Winter wird für alle zu einem Überlebenskampf, in dessen Wirren auch noch ein Mord geschieht.

Betrachtung

Dieser Roman hat einiges zu bieten, neben der sehr nervenaufreibenden und spannenden Haupthandlung enthält er Mythen und Gleichnisse aus unterschiedlichen Kulturen und eine Rahmenhandlung, welche nicht nur die Spannung anheizt, sondern auch einige Überraschungseffekte in petto hat.

Gerhard Jäger verfügt über eine akkurate und wunderschöne Sprache, die man sich als schreibender Mensch nur zu gern für sich selber wünscht. Wie ein Künstler mit Pinsel und Farbe malt er Bilder mit vielfältigen Worten in den Köpfen seiner Leser. Vor dem inneren Auge wird jede Szene poetisch ausgestaltet und greifbar.

"Aber da war nichts als das Heulen des Sturmes, das Ächzen und Vibrieren der Tanne, wenn ein heftiger Windstoß in die Krone fuhr, da war nichts als die wild um sich schlagenden Äste und ein undurchdringlicher Vorhang aus Regen, der als ein gleichmäßiges Rauschen durch das Aufschreien der Windböen drang." (S.42)

Die leicht fließende, beinah lyrische Sprache mit ihren Ausschmückungen, macht allein schon den Roman lesenswert. Doch der Autor vermag noch viel mehr, er komponiert die fortschreitende Handlung szenisch in der Weise mit seinem Sprachvermögen, das er jeweils Stimmungen erzeugt, denen der Leser sich nicht entziehen kann. Perspektivisch verschmilzt der Leser mit Max Schreiber und spürt hautnah die beklemmende, drückende Angst der Menschen, die in der Dorfkirche Zuflucht vor den lebensbedrohenden Lawinen sucht.

Meinung und Dank

Mir persönlich hat der Roman sehr gefallen, ich habe Stil und Sprache absolut genossen. Ich habe mit der Hauptperson mitgefiebert und mitgelitten. Manchmal habe ich mit Max Schreiber auch gehadert, aber ich habe die beklemmende Angst der Dorfbewohner gefühlt und die gewollte Überraschung am Ende des Buches.
Die Geschichte ist absolut rund und war ein bereicherndes Leseerlebnis. Für die Empfehlung möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bei M. bedanken. 

An Euch viele Grüße und viel Spaß beim "Nachlesen"!

Eure Caroline




Sonntag, 21. Mai 2017

Kurze Pause - Weiterbildung - kurze Pause - Weiterbildung

Hallo Ihr lieben Leute,

weil ich mal was dazu lernen möchte, stecke ich aktuell in einem Weiterbildungskurs für Social Media fest. Habt bitte etwas Geduld - in 4 Wochen wird es hier wieder lebhaft!

Bis dahin könntet ihr doch mal ein schönes Buch lesen, das ihr mir hier im Kommentarfeld empfehlt (wenn es gut war), denn ich brauche danach garantiert etwas Entspannung!!

Beste Grüße 

Caroline

Donnerstag, 27. April 2017

Schnellklick - Was noch so an Büchern los war...

(c) Random House)
Leider kann ich nicht jedes Buch das ich lese, hier auf dem Blog ausführlich besprechen. Auch wenn ich mir das meist wünsche, lässt sich das nicht immer realisieren. Aus diesem Grund, gibt es heute mal einen Schnelldurchlauf, in der Hoffnung so ein bisschen aufarbeiten zu können. Durch die Kürze der Meinung, fällt mein Urteil vielleicht etwas subjektiver aus als gewohnt, denn die Einordnung in einen größeren Zusammenhang entfällt an dieser Stelle. So ist aber auch ein schnellerer und eindeutiger Überblick möglich.


"Ein ganzes Leben" - Diesen Roman habe ich erst kürzlich beendet. Es ist ein dünnes Büchlein über das harte und einfache Leben des Andreas Egger, der in seinem Leben harte Schicksale erleidet und doch immer sein einfaches Glück zwischen den schweren Zeiten findet. Der Roman erzählt vom Seilbahnbau in der Alpenregion, von der Liebe und vom Krieg. Eine ungeschminkte Alm-Öhi-Geschichte. (160 Seiten). Hat mir gefallen -> Daumen rauf !

Diese Italien-Saga (Band 2 "Die Geschichte eines neuen Namens") lässt mich nicht mehr los. Ich bin infiziert. Nach der Lektüre von "Meine geniale Freundin" konnte ich es keine Sekunde aushalten und habe sofort weitergelesen, um mich immer wieder in diese besondere, ferne Welt in Neapel, hineinzuversetzen, und um an der Seite dieser beiden intelligenten und besonderen Frauen zu sein, die sich ein Leben außerhalb ihres Rione erträumen und erarbeiten. Lila und Elena werden immer mehr zu Konkurrentinnen, obwohl ihr Leben komplett unterschiedlich verläuft, doch gleichzeitig brauchen sie sich gegenseitig wie jeder Luft zum Atmen oder Wasser zum trinken benötigt. Ihre soziale, geistige und intellektuelle Verbundenheit bringt die Beiden immer wieder zusammen, selbst wenn sie zeitweilig getrennte Wege gehen. 
Ich bin sprachlich und inhaltlich total verliebt in diese Reihe!!
Leider ist der Erscheinungstag des dritten Bandes auf den 28. August gerutscht. (Au weia) Die lange Wartezeit ist schon sehr bedauerlich, auf englisch werde ich es nicht lesen. Wenn ich schon kein Italienisch kann, dann sehe ich persönlich eine deutsche Übersetzung als die bessere Alternative an. --> Daumen rauf!



Rechte (c) KiWi


Der lieben Isabel Bogdan, möchte ich sehr danken für "Der Pfau", der alle aufgemischt hat. Die Autorin trifft einen besonderen Erzählton, voller britischen Humor, obwohl Frau Bogdan eine deutsche in Köln geborene Schriftstellerin und Übersetzerin ist. Ich habe mich über die Charaktere der Figuren, die Banker, die Chefin, Lord und Lady, und die Verwicklungen bei dem Teambuilding in den schottischen Highlands sehr sehr amüsiert. 
Im letzten Jahr war das ein richtiger Herzerfrischer!!
-->Dicken Daumen rauf




Lesefest Leipzig 2017
 Bild: Caroline Schultz
Gesellschafts-Lustig und Berlin-Lustig sind auch die Kolumnen von Harald Martenstein,
z. B. "Die neuen Leiden des alten M."
In Leipzig nutzte ich die Gelegenheit Herrn Martenstein bei einer Lesung zuzuhören und kann sagen, auch sein neues Buch "Im Kino" (C. Bertelsmann Verlag) oder ältere Textsammlungen "Männer sind wie Pfirsiche" (btb Taschenbuch) bringen mich zum Lachen. Seine humoristischen Kolumnen-Texte sind eine gute zwischendurch Lektüre.
Es geht um Familie, Gesellschaft, Berlin, berufliches, Kinder usw. Wer sich wiederfindet kann mitlachen. Ich bin ein Fan. --> Daumen rauf


"Seit du tot bist"
Zwar ein älterer Titel, aber sehr spannungsgeladen ist dieser Thriller, der es locker schafft den Leser für einige Zeit aufzusaugen. Ganz kanpp zusammengefasst: Es geht um eine Frau, die vor Jahren bei der Geburt ihr einziges Kind verlor (danach Kinderlos blieb) und Jahre später, plötzlich mit Hinweisen konfrontiert wird, das dieses Kind immer noch am Leben sei. Sie gerät in einen Strudel aus Morden und Hinweisen. Wem kann sie noch vertrauen? Es war klasse.. nur das Ende ein bisschen dürftig.
Aber Schwamm drüber - ein gutes Urlaubsbuch --> Daumen rauf.



"Das Café am Rande der Welt"
Ich bin bei Sinn-Such-Büchern meistens skeptisch. Aber dieses hier hat mir gefallen. Einfache Änderungen in unseren Sichtweisen und unserem Verhalten können viel bewirken. Die Geschichte hat viele Anhänger und auch ein paar Kritiker. Manch einer findet es oberflächlich, aber ich finde es sehr gut, weil es kompakt in eine kurze Geschichte eingebettet ist.
Ich finde dafür gibt es -->Daumen hoch



Don Tillmann ist ein Wissenschaftler und will mit Hilfe eines 16-Seitigen Fragebogens, die richtige Frau zum Heiraten finden, denn menschliche Beziehungen findet er sehr verwirrend und irrational. 
'Das Rosie-Projekt' hat mich nicht vollständig überzeugt. Am Anfang gefällt mir noch die Situationskomik, die durch die besondere Persönlichkeit und Sichtweise Dons, (der ein emotionaler Sonderling ist) immer wieder entsteht. Auch die im Buch erzählte Geschichte über seine Freundin Daphne fand ich sehr berührend und schön. 'Das Rosie-Projekt' ist im Prinzip eine witzige Idee, man erfährt auch viel über mentale Schwächen der sozialen Interaktion und Kommunikation. Doch die Figur der Rosie und der weitere Handlungsverlauf haben mich nicht überzeugt. Rosie kam mir im Gegensatz zu allen anderen Figuren sehr oberflächlich vor. Außerdem verstehe ich nicht,  warum es davon so viele Fortsetzungsbücher geben muss? Für mich überflüssig.
--> Ich gebe einen halben Daumen zur Seite 



Als der neue Roman "Am Ende der Einsamkeit" von Benedict Wells in aller Munde war, hatte ich das dringende Gefühl ich müsste nun mal endlich seinen Debütroman "Becks letzter Sommer" nachholen und mich so, nach und nach durch sein Werk arbeiten.
Was soll ich sagen: Das war eine Schnapsidee! Das Buch hat mich nicht erreicht. Der junge Benedict Wells beweist mit diesem Debüt zugegebenermaßen ein vorhandenes Schreibtalent, aber die Figuren: Gescheiterter Musiker - nun Lehrer ohne Liebesglück; ein musikalisches Wunderkind; und als besten Freund einen verrückten Deutschafrikaner - diese Akteure haben mir beim Lesen leider so gar keine Identifikationsfläche geboten, und auch sonst keine Möglichkeit einen spannenden Zugang zu ihnen zu finden. Der ganze Plot wirkt auf mich künstlich und konstruiert. Vielleicht fehlt mir die musikalische Einfühlung in das Genre oder das Interesse an Roadtrips. Ich fand es fad. Langweilig. Ich hätte es mir sparen können. Vielleicht verstehe ich das Buch einfach nicht. Ich kann mir gut vorstellen, das mir ein anderer Titel von ihm vielleicht besser gefällt. Fazit -->Daumen halb runter.

Damit haben wir das auch... wir lesen uns bald


Liebe Grüße

Eure Caroline Schultz



Samstag, 22. April 2017

[Rezension] Duft nach Weiss - Stefanie Gregg

(Mit freundlicher Genehmigung von Pendragon)

Danke für die Empfehlung

Der kleine aber feine Bielefelder Verlag Pendragon, liegt in der Nachbarschaft zu meinem Heimatort Gütersloh und das ist einer der Gründe, warum ich gerne ein Buch aus dem Verlagsprogramm besprechen und vorstellen wollte. Auf der Frankfurter Buchmesse empfahl mir eine Mitarbeiterin diesen Titel und ich erhielt das gedruckte Werk als Leseexemplar. Für mich war und ist der Tipp ein Volltreffer. Warum, dass könnt ihr hier genauer erfahren.

Inhalt

In der Hauptgeschichte geht es um das fünfjährige Mädchen Anelija, die sich im Jahr 1975 von ihrer Majka verabschieden muss, denn die junge Mutter "flieht" aus 'Liebesgründen' von Bulgarien nach Westdeutschland und lässt ihre kleine Tochter bei der Oma und der Urgroßmutter zurück. Diese Trennung war endgültig, Besuche nicht möglich, denn die Volksrepublik Bulgarien duldete, während der Ära Schiwkow keine Landesflucht und betrachtete jeden der Ausreiste als Staatsfeind.

Für Anelija ist der Abschied von ihrer Mutter ihre schwerste Kindheitserfahrung, denn auch ihr Vater ist unbekannt. Glücklicherweise bleiben ihr ihre Babas (Großmütter), bei denen sie sehr viel Liebe und Geborgenheit erfährt und so führen sie gemeinsam ein bescheidenes und äußerlich unantastbares, regimegetreues Landleben in der Gegend von Radilovo.

Anlelija geht hier in die Dorfschule und wird häufig von ihren Mitschülern für ihre Mutterlosigkeit gehänselt. Auch Behörden und Funktionäre beäugen ihre familiäre Situation immer wieder kritisch, besonders wenn das Mädchen die Lehrerin fragt warum der Kommunismus der kleinen familiären Landwirtschaft nur Nachteile bringt? Den einzigen Kontakt, den das Kind immer noch zu ihrer Mutter hat, sind die Briefe, die immer mal wieder per LKW-Transport nach Bulgarien geschmuggelt werden. Die Briefe sind auf schneeweißem Papier, heller als Anelija es jemals gesehen hat. Zu Ostern und Weihnachten kommen auch meist üppige Schokoladenpakete von der Mutter.

Das Mädchen beantwortet die Briefe der Mutter meist mit spärlichen Zeilen, denn die Post aus Deutschland ist ihr einerseits heilig, andererseits lösen die Briefe sehr gemischte Gefühle in ihr aus.
Stefanie Gregg erzählt sehr greifbar und gefühlvoll aus diesem einfachen Leben, von Gerüchen und Emotionen, Dingen die nicht ausgesprochen werden, dem Ehrgeiz, mit dem  Anelija durchs Leben geht und von den vielen kleinen Verletzungen und Leiden, die sie erfährt, weil ihre abtrünnige Mutter offenbar ein unsichtbares Makel auf ihr hinterlassen hat, eines dass sie gesellschaftlich stigmatisiert. 
In der Schule lernt sie sehr schnell lesen und ist immer eine der besten Schülerinnen.
Doch es gibt auch Hindernisse: Die sozialistischen Arbeitsdienste sind oft alles andere als Zuckerschlecken und kaum erfüllbar, trotzdem zählen sie in das schulische Bewertungssystem hinein. Anelija muss diese Aufgaben bewältigen, daran führt keine Weg vorbei und ihr Ziel ist es, dass sie nach der Grundschule auch noch das Gymnasium besuchen darf. Die Babas sind eigentlich zu arm, um den Besuch der höheren Schule zu finanzieren, doch schließlich findet sich eine tragbare Lösung, die diesen Wunsch in greifbare Nähe bringt.
Immer wieder begegnet sie Menschen denen sie vertraut und die sie ermutigen ihren eigenen Weg zu finden. Mit Eifer interessiert Anelija sich für alles Deutsche, sie findet Unterstützer und Gegner und lernt leider mit jedem weiteren Jahr in Bulgarien die Grenzen der Meinungs- und Entwicklungsfreiheit in der Volksrepublik Bulgarien kennen. Verzwickte Lebensmomente steigern die Spannung und als Leserin habe ich immer mit der Heldin mitgefiebert. Den Rest lassen ich hier getrost offen. Bitte selber lesen!


Stil und Wirkung

Die Handlung beginnt in einer noch nahen Vergangenheit - für mich also praktisch Gegenwart - im Jahr 1995 und wird in Rückblicken erzählt. Anhand dieser Verankerung im hier und heute wird die Sichtbarkeit der gegenwärtigen Relevanz dieser Einzelgeschichte für unsere europäische Gesamtidentität für den Leser erfahrbar. Außerdem ist die Rahmenhandlung eine zauberhafte romantische Liebesgeschichte, die das Gesamtpaket zusätzlich bereichert. 
Neben dem Verlauf der Haupthandlung wird eine weitere Geschichte vorangetrieben, die sich im zeitlichen Spektrum von 1968 bis 1992 bewegt und die Biografie des regimekritischen Exil-Schriftstellers Georgi Markow nachempfindet. Georgi Markow, der 1978 Opfer des perfiden Regenschirm-Attentats in London wurde. Im Spionagemuseum in Berlin sind hierzu Exponate zu sehen.
Die Erzähl-Ströme, die durchgängig eine angedeutete Verbindung haben und auch zeitgeschichtlich zusammengehören, stehen inhaltlich nebeneinander und die angedeutete Verbindung wird erst ganz am Ende des Buches bestätigt. Diese historische Nebenhandlung ist einer bereichernde Vervollständigung die den Roman aus meiner Perspektive besonders informativ und komplett macht.


Fazit

Die Autorin erzählt mit Leichtigkeit von einem Leben, das alles andere als Leicht war. Gelungen hält sie eine optimistische und zuversichtliche Balance und vermag doch die Realität im ländlichen Bulgarien sehr vorstellbar zu skizzieren. Ich habe jede Seite mit Genuss gelesen, immer in dem Empfinden das dieses Buch tatsächlich ein federleichtes Stück wichtige Literatur ist und mich darüber hinaus sehr sehr spannend unterhält. In Anelijas Leidensmomenten habe ich mit ihr gelitten und gehofft. Oft gerätselt und gebangt wie sie aus den vertrakten Lebensituationen wieder herauskommen kann. Der Roman wirkt sehr authentisch und ich möchte ihn Euch von Herzen empfehlen!
Ein literarisches, kompaktes und sehr gut lesbares Werk, dass man einer großen Leserschaft getrost ans Herz legen kann. Ein Buch zum Reisen und verschenken, für die Handtasche oder eine sonnige Mittagspause.


An den Verlag

Lieben Dank Pendragon Verlag für das wunderbare Leseexemplaar von "Duft nach Weiß" von Stefanie Gregg. Ich habe das Buch aufgesogen und sehr genossen. Die Geschichte ist so zart und leicht erzählt und so wunderbar zu lesen. Stefanie Gregg ist auf jeden Fall eine Autorin, die ich im Auge behalten werde.


Eure Caroline

Freitag, 24. März 2017

Meisterwerke der Sience Fiction - 1984 - George Orwell

NINETEEN-EIGHTY-FOUR

Auf der Suche nach der passenden Lektüre, da findet das Buch manchmal mich und nicht umgekehrt. Irgendwo schnappte ich auf, dass der Sience Fiction Klassiker "1984" von George Orwell zur Zeit wieder Renaissance hat, was bei der gegenwärtigen weltpolitischen Lage auch nicht verwunderlich ist.

In Deutschland und den Niederlanden bestimmen Konflikte mit dem türkischen Präsident Erdogan unsere Nachrichten. Es bleibt unverständlich wieso Erdogan noch Rückhalt bei seinen Landsleuten findet? Ein Präsident, der Pressefreiheit mit Füßen tritt, Journalisten mit Todestrafe bedroht und in diktatorischer Manier nach immer mehr Macht greift. In den USA regiert indessen ein unberechenbares Staatsoberhaupt - Donald Trump, der lieber "alternative Fakten" anstelle der Wahrheit verbreitet, gegen die Medien hetzt und beim Erlass absurder Einreise-Beschränkungen glücklicherweise an der amerikanischen Gesetzgebung scheitert. Man könnte die Liste fortführen.

'1984' blitzte mich also aus meinem Buchregal an und flüsterte: "jetzt ist es Zeit für mich."

Wir schreiben das Jahr 1984. Der Staat ist alles und der einzelne Bürger nichts.
An einem kalten Apriltag, trifft Winston Smith die brisante und folgenschwere Entscheidung. seinen eigenen Gedanken nachzugehen. Ein schweres Verbrechen im totalitären Staat Ozeanien, wo der große Bruder über alle Menschen wacht, Hüter der einzig gültigen Wahrheit ist, und die Gedankenpolizei jede Übertretung aufdeckt. Winstons Wohnung in der Victory Mietskaserne wird, so wie alle Wohnungen, mittels eines ständig laufenden Teleschirms überwacht, doch es gibt einen toten Winkel, in den er sich zurückzieht, um seine eigenen unangepassten Gedanken in ein Tagebuch einzutragen. Die Welt im Jahr 1984 ist aufgeteilt in drei Superstaaten. Ozeanien ist im Dauerkrieg gegen Eurasien. Ein Krieg, der an fernen Grenzen stattfindet und nur manchmal gibt es Einschläge einzelner Raketen in der Hauptstadt London. Von Zeit zu Zeit ist Ozeanien auch im Krieg gegen Ostasien, doch sobald sich die Bündnisse ändern, wird die Geschichte einfach umgeschrieben und das Ministerium propagiert, dass es niemals anders war, sondern immer schon Krieg gegen Ostasien geführt hat und Eurasien der verbündete Staat war. 
Überall hängen Plakate vom "Großen Bruder", der eine imaginäre Figur ist und es gelten drei Hauptparolen.


Krieg ist Frieden
Freiheit ist Sklaverei
Unwissenheit ist Stärke

Regiert wird der Staat von der Partei, die mittels der vier Ministerien agiert. Im Ministerium für Wahrheit werden alle Nachrichten kontrolliert. Alles Wissen, alle Meldungen, Schulbücher, jegliche Form der Information steuert und manipuliert der Staat. Auch Winston arbeitet im Ministerium für Wahrheit, wo er mittels eines 'Sprechschreibers' Zeitungsmeldungen für eine täglich neu definierte Wahrheit umschreibt und somit die Wirklichkeit Tag für Tag unkenntlicher wird. Auch sprachlich soll den Menschen das Denken abgewöhnt werden.
Kommunniziert wird auf "Neusprech" einer versachlichten und vereinfachten Sprache, die alles überflüssige vermeidet und kontinuierlich die Zahl ihres Wortschatz verkleinert. "Neusprech" soll zur Alltagssprache werden, um differenziertes und detailliertes Denken zu erschweren. 
Winston kann sich an einzelne Momente seiner Kindheit im Krieg erinnern, doch weiß er selbst nicht mehr zu sagen, wann das eigentlich alles angefangen hat und wie es vorher war. Er versucht mit einem alten Mann zu sprechen, der die frühere Zeit noch selbst erlebt hat. Leider ist dieser zu verwirrt, um Winstons Fragen zufriedenstellend zu beantworten.
Auferlegter Volksglaube ist, dass das Leben in der Welt vorher unvorstellbar schlimm düster war und es den Menschen unter der Herrschaft der Partei und der Fürsorge des großen Bruders endlich besser geht. Diese erzwungene Ansicht steht im krassen Gegensatz zu der Wirklichkeit, in der das Essen schlecht, teilweise synthetisch, rationiert und die Lebensbedingungen dürftig sind. Häuser sind baufällig, Flure schmutzig und abgewetzt. Man kann niemanden trauen, nicht dem Freund oder dem Nachbarn. Nicht mal den eigenen Kindern. Das Leben ist durchreguliert wie in bekannten kommunistisch-totalitären Systemen, wobei Orwell in seinem Roman nur einen winzigen Schritt weiter geht. Oder vielleicht ist und war die Wirklichkeit manchmal doch krasser? Die Geschichte und auch die gegenwärtige Welt kennt ihre Beispiele. 

Orwell beschreibt eingehend die beständige Selbstkontrolle der sich Winston unterzieht, um nicht durch einen falschen Gesichtsausdruck aufzufallen und als Gedankenverbrecher enttarnt zu werden.
Oft streift er durch London und macht unbegründete Spaziergänge, sucht nach Antworten auf seine Fragen. Eines Tages nimmt eine junge Frau - Julia - Kontakt mit ihm auf. Das Undenkbare geschieht, die beiden umgehen die Regeln des Systems und werden ein Liebespaar. Doch der große Bruder ist überall und sieht alles. Ich habe jetzt noch vieles weggelassen über das man in Bezug auf den Roman sprechen könnte, doch ich möchte für alle diejenigen, deren Interesse geweckt ist auch nicht zu viel vorweg nehmen.

Orwell hat ohne Zweifel einen sehr bedrückendes, teilweise beängstigendes Sience Fiction Meisterwerk erschaffen, das auch heute noch genau vor Augen führt, wie viel wir zu verlieren haben. Wir leben in Europa und in der westlichen Welt in Frieden, Wohlstand und geistiger Freiheit seit nunmehr 72 Jahren. Das ist das ist gesellschaflich das kostbarste Gut auf dieser Welt - das wir unbedingt erhalten müssen.
Staatliche Gewaltenteilung, sowie Meinungs- und Pressefreiheit sind das existenzielle Fundament für einen Fortbestand dieses Friedens und der persönlichen Freiheit. Wir alle müssen daran mitwirken, das das so bleibt und auch andere Staaten in ihrer Entwicklung zu freiheitlichen Gesellschaften gefördert werden. 

Der Roman "1984" ist ein wichtiger Klassiker, der vieles aufzeigt, der lange und plastisch im Kopf bleibt, die Gedanken anregt und in jedem Fall sehr lohnenswert ist. 

 Caroline Schultz