Sonntag, 21. Dezember 2014

Paulo Coelho - Untreue

Editorial

Liebe Leser,


ich bin sicher, auch Ihr kennt Zeiten in denen ihr an vielen Fronten gleichzeitig boxen müsst? So geht es mir jedenfalls im Moment. Bitte seid mir daher nicht böse, wenn meine Beiträge etwas schleppend erscheinen. Wenn die Neuheiten nicht so nachrutschen wie sie sollen, dann ist das vielleicht eine gute Gelegenheit noch mal in älteren Beiträgen zu stöbern, oder auch den ein oder anderen Kommentar loszuwerden. Ein paar weitere lesenswerte Blogs habe ich hier auch verlinkt. Mal schauen, was dort so los ist!? Seid bitte versichert, ich habe noch viel spannendes Material und Ideen, die ich Euch in Zukunft präsentieren werde.

Jetzt sollt ihr aber nicht mehr warten, jetzt dürft ihr endlich meine Meinung zu Paulo Coelhos Roman "Untreue" erfahren. Ich bin auf Eure Reaktionen sehr gespannt!
Viel Spass beim Lesen.


Untreue


Ich habe bisher nur drei oder vier Bücher von Paulo Coelho gelesen, die mir aber alle sehr gut gefallen haben. Als nun sein neues Werk erschien, hat mich vor allem das Titelthema aufmerksam gemacht und Ich wollte erfahren, was ein großer Literat und Denker wie Paulo Coelho dazu sagen kann. Doch nun, nachdem ich das Buch durchgelesen habe, kann ich nicht sagen, dass ich alle seine Intentionen und Lebenslehren verinnerlicht hätte, bzw. diese aus meiner Innensicht heraus wiederspiegeln kann. Wenn ich Coelho lese, dann schwingt bei mir immer die Erwartung mit, dass sich aus dem Gelesenen ein besonderes Fazit, eine Lebenslehre oder allumfassende Erkenntnis herauskristallisieren soll. Diese Erkenntnis wird auch geliefert, der Weg dorthin erscheint mir bisweilen aber fast grotesk und ruft zur Diskussion auf.
In den Boulevardmedien, Kolumnen, Fernsehserien oder auch im persönlichen Umfeld ist Ehebruch und Untreue ist ein vieldiskutiertes Thema, das uns an jeder Ecke begegnet. Coelho gibt uns Lesern nun die Möglichkeit im Kopf seiner Romanfigur zu sitzen und ihre Affäre aus erster Hand mitzuerleben. Was gibt es da zu erfahren und was kann der Leser über die kritische Gefühlslage der Protagonistin herausfinden?


Inhalt

Die attraktive Schweizer Journalistin Linda steckt mit gerade mal 31 Jahren in einer ernsten Midlife Crisis. Linda hat einen liebevollen und fürsorglichen Ehemann, zwei Wunschkinder, einen interessanten und erfüllenden Beruf, eine Haushaltshilfe und jeden Wohlstand, den sie sich nur wünschen kann. Immer häufiger fühlt sie sich aber antriebslos und leer, sie mag morgens nicht aufstehen und zeigt Symptome für eine Depression. Linda lebt mit Ihrer Familie in Genf und schreibt für eine Lokalzeitung. Ihre Stadt erscheint ihr langweilig und jeder darin ist glücklich, außer ihr selbst! Sie fragt sich, was mit ihr nur nicht stimmt? Eines Tages muss sie ihre verflossene Jugendliebe Jakob - inzwischen ein wichtiger Politiker - interviewen. Lindas allgemeines Desinteresse vernebelt inzwischen alle Gefühle und Lebensbereiche. Trotzdem am Ende des Interviews mit Jakob dem Politiker, passiert etwas ohne jede Vorwarnung. Quasi aus dem Nichts, ohne jedes warm-up, küssen sich die Beiden, daran anschließend befriedigt Linda Jakob auf die Schnelle mit einer Portion Oralsex.
Hier beginnt die Geschichte dieser Affäre, die immer wieder nachvollziehbare Gedankengänge enthält, aber viel öfter sehr widersprüchlich voranschreitet. Die Affäre scheint Linda aus ihrer Lethargie zu helfen, so dass sie weiteren Kontakt sucht, welchen sie zunächst aber nur bedingt zurückerhält. Obwohl Jakob einen schlechten Ruf als untreuer Ehemann zu haben scheint, kann die attraktive Linda nicht bei ihm landen. Obwohl bis zu diesem Punkt gar nicht viel passiert ist, hat sie in Jakobs Ehefrau offensichtlich ein Feindbild gefunden, dass ihr bekämpfenswert erscheint. Sie beschreitet sogar einen kriminellen Weg um ihrer vermeintlichen Feindin zu schaden. Plötzlich und ohne Erklärung hat Jakob dann doch konkretes Interesse an Linda und die beiden treffen sich regelmäßig in Hotels. Auf welchem Weg die Affäre schlussendlich auffliegt, finde ich extrem eigenartig und schwer nachzuvollziehen. Lächerlich und kontrovers sind auch noch ein paar andere Details in den Phasen dieser Affäre, aber ich will hier ja nicht alles verraten.


Meine Meinung

Als ich den Roman begann, kam ich sehr schnell in die Geschichte und fand den einfachen und bestechenden Erzählstil sehr angenehm und eingängig. An vielen Stellen in den vorderen Kapiteln war ich erstaunt darüber, wie gut sich Paulo Coelho in weibliche Sichtweisen und Denkstrukturen einfühlen konnte und dieses nun hier transportiert. Doch mit fortscheitender Handlung habe ich dieses Gefühl immer mehr verloren. Im Gegenteil, ich fand das Verhalten der Linda sehr unweiblich, unlogisch und nicht nachvollziehbar. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich sie verstehe und den nächsten Schritt vorausahnen könnte. Ganz besonders fehlt mir in diesem Roman, dass man abgesehen von ein paar Lebensumständen nichts emotional Entscheidendes über die Innensicht und Selbstwahrnehmung ihres Geliebten Jakob erfährt. Seitenweise reflektiert Linda Gefühle und Gedankengänge über sich selbst, sucht Wege um sich selbst und ihr Leben zu verstehen. Doch die Menschen um sie herum werden nur angerissen, so als wären sie nur flüchtige Bekannte. Ihrem Ehemann gesteht Sie ihre Depression. So gut er vermag versucht er Ihr entgegen zu gehen. Mit Verständnis und Hilfe in jeder Form. So lernen wir Leser wenigstens ein paar seiner Gedanken kennen, trotzdem bleibt er für mich seltsam maskenhaft, profillos und unangreifbar. Linda sucht unter anderem drei Psychologen auf: Alle drei werden klischeehaft abgehandelt und von Linda als nicht hilfreich eingestuft. Lediglich ein Schamane kann Linda bei der Ergründung ihrer Probleme weiterhelfen. Ich denke, die Realität sieht auch hier anders aus.


Stil
Der Roman ist konsequent in der Ich-Form erzählt: Ereignisse und Gedanken erlebt der Leser, als blicke er durch einen Tunnel, ausschließlich aus Lindas Perspektive heraus. Diese Erzählform bietet reichlich Raum für Ihre inneren Reflexionen, doch sie spart die Gefühle, das Nachdenken und die Charakterzüge der anderen Personen, vollständig aus. Stilistisch ist das Buch auf jeden Fall ein qualitativ hochwertiger, typischer Diogenes Roman in guter Gesellschaft mit anderen hochkarätigen Erzählungen aus dem Diogenes Verlag.

Fazit
Ich kann das Buch nur sehr bedingt empfehlen: Und zwar denjenigen, die eingefleischte Coelho Leser sind und keines seiner Werke auslassen möchten. Weiterhin empfehle ich es denjenigen, die weniger Wert auf eine nachvollziehbare Rahmenhandlung legen, dafür aber sehr erpicht auf eine ausführliche Darstellung verschiedener Denkprozesse einer intelligenten und belesenen Hauptfigur sind. Zusammengefasst gebe ich "Untreue" nur eine mittelgute Empfehlung.

(Weitere Rezensionen zu Diogenes finden sie hier!)




Caroline Schultz

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