Marcel
Reich-Ranicki ist tot
„Mit Bestürzung haben wir heute vom Tod Marcel
Reich-Ranickis erfahren. Er starb in Frankfurt am Main im Alter von 93 Jahren.
Mit ihm verliert die Deutsche Verlags-Anstalt einen ihrer herausragendsten Autoren.
Wichtiger noch: Die Welt der Literatur verliert den bedeutendsten und
einflussreichsten Kritiker und Vermittler von Literatur nach 1945. Marcel
Reich-Ranicki hat wie kein anderer mit Witz, mit Schärfe, mit Sinn für klare
Urteile der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur zu breiter Beachtung
verholfen. Dass er sich entschied, nach der Verfolgung durch die
Nationalsozialisten in Deutschland zu leben und zu wirken, ist ein
außergewöhnliches Geschenk. Seine Autobiographie ‚Mein Leben‘ wird auch in Zukunft
als großes, berührendes literarisches Werk gelesen werden.“
Thomas Rathnow, Verlagsleiter Deutsche Verlags-Anstalt
Thomas Rathnow, Verlagsleiter Deutsche Verlags-Anstalt
„Auf die Gefahr hin, der Anmaßung bezichtigt zu
werden, will ich hier doch sagen, wovon ich überzeugt bin: Die Literatur ist
mein Lebensgefühl. Das lassen, glaube ich, alle meine Ansichten und Urteile
über Schriftsteller und Bücher erkennen..“
Niemals möchten wir diesen Worten
unseres großen deutschen Literaturkritikers widersprechen. Es gibt wohl keinen zweiten
Menschen, der wie er ein Leben lang durch sein Gefühl eine ganze
Literatur-Ära geprägt und mitgestaltet hat. Er war eine ausgefallene
Persönlichkeit mit der Fähigkeit umwerfend klare Ansichten mitzuteilen. Durch
sein Wesen und seine Expertise wurde er zum Idol und brachte uns trotz seiner
herrisch präsentierten Literaturmeinung das eigene Denken wieder nahe. Heute
prägen Kollektivmeinungen die Leselandschaft, denen Leserscharen blind
hinterherlaufen und Literatur taucht nur noch auf Long- und Shortlists des
Deutschen Buchpreises auf.
Kontroverse und unterhaltsame
Diskussionen um Literatur, wie wir sie in Spitzenzeiten des Literarischen
Quartetts erleben durften, fehlen mir schon lange.
Mit seinem Tod verlieren wir Deutschen
unseren wichtigsten und einflussreichsten Literaturkritiker nun endgültig. Doch
wir bewahren, was er uns hinterlassen hat.
Marcel Reich-Ranicki sagte einmal in der Literatur gibt es
nur zwei Themen, die Liebe und den Tod, alles andere sei Mumpitz.
In seinem eigenen Buch mit dem Titel: „Mein
Leben“ erzählt er aus seiner persönlichen Lebensgeschichte. Die Zeit im
Warschauer Getto hat ihn niemals mehr losgelassen – Liebe und Tod waren
hautnah mit dabei.
Sein biografischer Roman ist für mich eines der wichtigsten zeitgenössischen
Bücher in meinem Bücherregal. Seine Erlebnisse in Zeiten der Unterdrückung und
Todesangst führen uns in eine Welt, die wir heute immer mehr und mehr vergessen
oder verdrängen und vielen jetzt schon unwahrscheinlicher als freies W-Lan auf
dem Jupiter, erscheint. Doch eben diese grauenvollen Erfahrungen aus der
NS-Zeit gehören zu unserer gemeinsamen Geschichte und in das Bewusstsein jedes
Einzelnen. Marcel Reich-Ranickis Buch macht uns Leser zwar betroffen, aber auch
reicher, dankbarer und lebensfroher.
Lieber Marcel Reich-Ranicki ich bedanke mich für Dein Buch
und Dein Lebenswerk und wünsche Dir Ruhe und Frieden.
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