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Montag, 24. Oktober 2016

Kritischer Exil-Redakteur Can Dündar im ARD Talk
auf der Frankfurter Buchmesse 2016 #FBM16

Nach der Untersuchungshaft: Redakteur will gefangenen Journalisten in der Türkei eine Stimme geben.
Buchvorstellung


Can Dündar auf der ARD Bühne Frankfurt 2016 (c) Caroline Schultz
Mit seinem Buch "Lebenslang für die Wahrheit" ist der türkische Buchautor und Journalist Can Dündar vielerorts in den Medien vertreten. Auch auf der Frankfurter Buchmesse 2016 sprach er auf der ARD Bühne über seine Aufzeichnungen im Gefängnis und die politische Lage in der Türkei.
Ein Übersetzer übermittelt Fragen und Antworten des Buchautors
 (c) Caroline Schultz.
Can Dündar ist ein türkischer Journalist und ehemaliger Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet. Dündar und die Cumhuriyet berichteten über geheime, mutmaßliche illegale Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an islamische Milizen in Syrien im Jahr 2014. In Folge dieser Berichterstattung begannen türkische Staatsanwälte Ermittlungen gegen den Chefredakteur und klagen ihn wegen Spionage und Verrat von Staatsgeheimnissen an. Staatspräsident Erdogan stellte persönlich Strafanzeige und fordert lebenslange Haft für den 55-jährigen. Nach drei Monaten kommen Dündar und weitere Journalisten vorläufig frei, doch er wird schuldig gesprochen und zu annähernd sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Dündar geht jedoch in die Berufung, dann bei einer Gerichtsverhandlung wird auf den Enthüllungsjournalist geschossen. Der Täter ist ein AKP-Mitglied. Erdogan selbst hat die Freilassung Can Dündars durch die Verfassungsrichter nie akzeptiert. Während seiner Zeit im Gefängnis verfasste Can Dündar handschriftlich sein Buch "Lebenslang für die Freiheit", dass den Zustand in der Türkei beschreibt. Nun versteckt sich Can Dündar im Exil vor weiteren Übergriffen und spricht über seine Haft und die Lage in der Türkei. 


Zitate aus dem ARD Gespräch:

"Mit dem Buch möchte ich meinen inhaftierten Kollegen in der Türkei eine Stimme geben."

"Schreiben ist Rettung, Schreiben bedeutet außerhalb der Gefängnismauern leben, aber auch das Traurige der Öffentlichkeit mitzuteilen"


"Ich habe mich im Gefängnis als Teil einer großen Schriftstellerfamile gefühlt, das hat mir geholfen, denn unser Wille sollte durch die Isolation gebrochen werden."


"Ich wollte eigentlich nicht ins Ausland gehen, und ich bin Anfangs geblieben, weil es die Wahrheit ist, was ich geschrieben habe."


Der ARD Moderator fragt nach, warum Erdogan so persönlich gegen ihn vorgeht? Dündar gibt hierauf eine zweiteilige Antwort:

"Erdogan möchte, das ihm die türkische Bevölkerung hundertprozentig gehorcht, wer sich nicht daran hält, wird mundtot gemacht, damit andere Menschen nicht ebenfalls zum Ungehorsam ermuntert werden."
 Außerdem spricht er davon, dass der Journalist eine Korruptionsakte des türkischen Staatoberhauptes habe. "Erdogan hat Angst davor vor Gericht gestellt zu werden."

Dündar erklärt weiter: "Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei sind jetzt Erdogans Berater zu Richtern erklärt worden. Und die wirklichen Richter sitzen nun im Gefängnis. In der Türkei herrscht der Ausnahmezustand, mehr als 100.000 Menschen wurden inhaftiert, 100 Sender und Zeitungen wurden verboten. Die ganze Nation befindet sich in AKP-Haft und das Land wird per Regierungsdekreten regiert."
Dündar beschreibt die Situation so, dass alle Menschen in der Türkei um ihr Leben kämpfen müssen: 

  • Sie müssen um ihre Berufe kämpfen
  • Sie müssen um Gleichstellung von Mann und Frau kämpfen
  • Sie müssen dafür kämpfen in einem säkularen Staat zu leben und nicht in einem religiösen.
Can Dündar drückt auch seine Enttäuschung darüber aus, dass Angela Merkel bei ihrem Staatsbesuch in der Türkei keine klaren Worte gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und für die Freilassung der inhaftierten Journalisten gefunden hat. Er stellt fest, dass sich Regierungen unter dem Druck der Flüchtlingswelle keine Kritik zutrauen. Aus diesem Grund bittet er um Unterstützung aus der Zivilgesellschaft und stellt auch konkrete Forderungen, wie z. B., dass westliche Journalisten die Arbeit der 130 gefangenen Journalisten und dutzender Schriftsteller fortsetzen sollen. Deutsche Verlage sollen die inhaftierten türkischen Schriftsteller drucken.

"Lebenslang für die Freiheit" ist bei Hoffmann & Campe erschienen. 
Seine Vita findet ihr hier.

nachdenkliche Lesegrüße von Eurer Caroline Schultz

Mit freundlicher Genehmigung von Hoffmann & Campe