Sonntag, 6. August 2017

Der Schnee, Das Feuer, Die Schuld und der Tod - Gerhard Jäger

BUCHEMPFEHLUNG


Der Fremde im Dorf

Zu Beginn der fünfziger Jahre reist der junge Historiker Max Schreiber aus Wien in die Tiroler Berge, weil er die genauen Umstände einer Hexenverbrennung im 19. Jahrhundert recherchieren und hierüber ein Buch verfassen will. Seine Ankunft ist Gesprächsthema in der kleinen verschlossenen Dorfgemeinschaft, von der er argwöhnisch und distanziert beäugt wird. Die Wochen in den Bergen vergehen einsam und konfrontieren ihn mit dem harten Leben in dieser Gegend. Trotz des anhaltenden Misstrauens gegenüber dem fremden Städter, hört der Gelehrte irgendwann die ersten Geschichten und Legenden aus dem Region, die vor allem der alte und blinde Seiler meisterlich zu erzählen weiß. Als Außenseiter treibt es Schreiber täglich auf ausgedehnte Wanderungen und Spaziergänge, bei denen ihm die raue Natur der Bergwelt, mehr als einmal, auch ihre harte Hand zeigt. Schriftstellerisch tritt er allerdings auf der Stelle, denn bei der Suche nach Informationen zur "Hexenverbrennung", verschließen sich die Dorfbewohner und reagieren teilweise sogar feindselig auf seine Fragen und Bemerkungen. Schreibers Privatleben in Wien war nicht glücklich, weshalb er die jüngsten Lebensumstände gerne vergessen möchte und trotz aller Schwierigkeiten nicht in die Stadt zurückfährt.

Schwarzes Blut im Schnee

Der Roman beginnt mit der zerknitterten Schwarz-Weiß-Fotografie eines Tatortes und mit der Weissagung einer alten Indianerin am 40. Geburtstag John Millers. Genau vierzig Jahre später, erfüllt sich die Prophezeiung, als ein alter Mann aus den USA nach Österreich fliegt, um aufzuklären was seinem Cousin in dem Tiroler Bergdorf im Januar des Lawinenwinters 1951 wirklich geschah. Sein Weg führt in zunächst nach Innsbruck ins Archiv, wo er das Manuskript des Schriftstellers studieren kann:

Schreiber erzählt, wie er auf ausgedehnten Pfaden durch die Tiroler Bergwelt wandert, dabei sagenumwobene Felsformationen erkundet und den alten Geschichten nachsinntEine Einladung ins Pfarrhaus und ein aufklärendes Gespräch, sowie einige Abende in der Gastwirtschaft, stellen dann doch noch eine Verbindung zwischen Schreiber und den Dorfbewohnern her. Der Gelehrte schreibt nun seine eigene Geschichte und hält seine Erfahrungen in einem ledergebundenen Buch fest. Vieles geschieht: Ein Bauer kommt ums Leben; Schreiber verliebt sich in eine geheimnisvolle junge Frau, um die auch ein anderer Mann im Dorf wirbt; eine Scheune brennt und mit heftigem Schneefall bricht plötzlich der Winter über das Dorf herein.

Jede Hand wird gebraucht und Schreiber schaufelt Schnee, Unmengen von Schnee, Seite an Seite mit den Einheimischen. Tag für Tag wird die Lage schwieriger, nach Weihnachten ist das Dorf schließlich durch die Wetterverhältnisse komplett von der übrigen Welt abgeschnitten. 
Die Situation spitzt sich dramatisch zu, als die ersten Lawinen auf die Höfe und Häuser des Dorfes herunterdonnern. Menschen sterben und der Winter wird für alle zu einem Überlebenskampf, in dessen Wirren auch noch ein Mord geschieht.

Betrachtung

Dieser Roman hat einiges zu bieten, neben der sehr nervenaufreibenden und spannenden Haupthandlung enthält er Mythen und Gleichnisse aus unterschiedlichen Kulturen und eine Rahmenhandlung, welche nicht nur die Spannung anheizt, sondern auch einige Überraschungseffekte in petto hat.

Gerhard Jäger verfügt über eine akkurate und wunderschöne Sprache, die man sich als schreibender Mensch nur zu gern für sich selber wünscht. Wie ein Künstler mit Pinsel und Farbe malt er Bilder mit vielfältigen Worten in den Köpfen seiner Leser. Vor dem inneren Auge wird jede Szene poetisch ausgestaltet und greifbar.

"Aber da war nichts als das Heulen des Sturmes, das Ächzen und Vibrieren der Tanne, wenn ein heftiger Windstoß in die Krone fuhr, da war nichts als die wild um sich schlagenden Äste und ein undurchdringlicher Vorhang aus Regen, der als ein gleichmäßiges Rauschen durch das Aufschreien der Windböen drang." (S.42)

Die leicht fließende, beinah lyrische Sprache mit ihren Ausschmückungen, macht allein schon den Roman lesenswert. Doch der Autor vermag noch viel mehr, er komponiert die fortschreitende Handlung szenisch in der Weise mit seinem Sprachvermögen, das er jeweils Stimmungen erzeugt, denen der Leser sich nicht entziehen kann. Perspektivisch verschmilzt der Leser mit Max Schreiber und spürt hautnah die beklemmende, drückende Angst der Menschen, die in der Dorfkirche Zuflucht vor den lebensbedrohenden Lawinen sucht.

Meinung und Dank

Mir persönlich hat der Roman sehr gefallen, ich habe Stil und Sprache absolut genossen. Ich habe mit der Hauptperson mitgefiebert und mitgelitten. Manchmal habe ich mit Max Schreiber auch gehadert, aber ich habe die beklemmende Angst der Dorfbewohner gefühlt und die gewollte Überraschung am Ende des Buches.
Die Geschichte ist absolut rund und war ein bereicherndes Leseerlebnis. Für die Empfehlung möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bei M. bedanken. 

An Euch viele Grüße und viel Spaß beim "Nachlesen"!

Eure Caroline




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